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Gestalten von Wachstum in der Neurochirurgie, Inselspital Bern

von Dez 1, 2011Aus der Praxis

Referenz Ansprechpartner: Prof. Dr. Andreas Raabe, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Neurochirurgie, 2011-2013

Ziel Gestalten von Wachstum

Dem Chefarzt an der Uniklinik für Neurochirurgie am Inselspital Bern ist es gelungen, seit Amtsantritt 2007-2010 den Casemix der Abteilung nahezu zu verdoppeln. Die Ausweitung der Leistung blieb nicht ohne Folgen. Die bald zu knapp bemessene Kapazität an Betten in der Klinik führte notgedrungen zu frühen Verlegungen in fremde Kliniken und in nachversorgende Einrichtungen. Soll das angestrebte Wachstum realisiert werden, gilt es daher v. a. die Station als zentralen Engpass zu entlasten. Ziel war es, Reserven für die weitere Entwicklung aus eigener Kraft zu heben und so den Wachstumsprozess gut vorzubereiten. In der Perspektive wurde dabei ein Aufwuchs von 32 Planbetten auf etwa 50 geplant. Ziel war v.a. der Nachweis des Betten- und Personalbedarfs, um den Engpass im Wachstum abzubilden.

Die Ergebnisse sollten direkt in das Betriebskonzept der Neurochirurgie an der Schnittstelle zum Neurozentrum fließen. Das Projekt bezog sich primär auf drei Themen:

  • Synchrone Abläufe der Berufsgruppen u.a. durch Abgleich ihrer spezifischen Konzepte und Arbeitsbereiche, Reduktion von Doppeldokumentation
  • Integration und weitere Entwicklung von Teamarbeit, Standards und Koordination, u. a. durch Regeln für Visiten und klinische Behandlungspfade
  • Verantwortung durch Festlegung fester ärztlicher Ansprechpartner für die Pflege und klare Zuordnung der Tätigkeiten

 

Umsetzung Gestalten von Wachstum

Mit dem Wachstumsplan wurde ein dreistufiges Konzept des Managements erarbeitet:

  • In die 1. Phase fallen direkte Verbesserungen in der Koordination auf Station und an den Schnittstellen ohne Zuwachs an Ressourcen .
  • Der 2. Phase werden Maßnahmen zugeordnet, die der erweiterten Personalkapazität auf Station bedürfen. Dazu zählt etwa die sukzessive Ausdehnung der Arzt-Präsenz auf Station oder die administrative Unterstützung der pflegerischen Abläufe durch ein Case Management.
  • Für die 3. Phase werden Aufbau- und Ablauforganisation auf eine Großstation von 50 Betten skaliert.

Für ein Konzept, das allen Phasen im Wachstum gerecht wird, wurde das Fünf Phasen Modell der evolutionären Entwicklung von Organisationen (Greiner Modell [1]) herangezogen.

Das Greiner Modell zeigt die Phasen im Wachstum von Organisationen im Allgemeinen:

Wachsen durch Grenze Übergangskrise
Kreativität – alle machen und wissen alles Überlastung Fokus und Strukturen finden
Anweisung – einige Themen werden zentral an Einzelne gegeben Überfordert Entscheider Autonomie der Ausführer finden
Delegation – Teile werden delegiert & beginnen ein Eigenleben Denken in Silos Ausrichten auf das große Ganze
Koordination – Bereiche werden aufeinander abgestimmt Abstimmungsaufwand Ausrichten auf den Markt
Zusammenarbeit  Träge bei Veränderungen Ambiguität stärken

 

Das Modell zeigt, welche Fragen bei einer wachsenden Größe der Organisation zu bewältigen sind, um das kreative Potenzial der Mitarbeiter und ihre Ausrichtung auf ein Ziel hin zu balancieren. Jedes Wachstum gefährdet per se die innere Stabilität eines Systems und muss den Übergang in einen neuen Zustand bewältigen. Dabei ist das Greiner Modell nützlich. Um Wachstum auf ein festes Fundament zu stellen, gilt es, die Übergänge der Phasen mit ihrem Krisenpotenzial zu beleuchten. So kann ihnen entgegen gewirkt werden. Und wenn die Symptome doch auftreten, können sie – da bereits erwartet – besser bewältigt werden. Aufgabe des Projektes war es also, die Fragen der Veränderung in geeigneten Ansätzen zu antizipieren.

Stationsmanagement Handbuch

Die Regeln für die Aufbau- und Ablauforganisation auf der Station L wurden in einem Stationsmanagement Handbuch für die Neurochirurgische Klinik dokumentiert. Der Fokus bei der Erstellung lag auf der Zusammenarbeit aller Berufe bis über die Grenzen der Station hinaus. Somit ist es organisatorisch als Rahmenwerk für die Station anzusehen, das durch klinische Pfade ergänzt wird. In ihm geht es um die Koordination der Kernprozesse auf der Station und darum wie durch eine optimale Unterstützung das Fachpersonal stärker auf seine Kerntätigkeit fokussiert wird. Und um Führung und Management auf der Station.

 

Ergebnis Gestalten von Wachstum

Die 1. Phase wurde im Sommer 2011 in nur 6 Monaten abgeschlossen und enthielt klare Vereinbarungen und Ziele. U.a. im Hinblick auf Austritt, Eintritt, Morgenvisite, Kardexvisite, Dienstplanung, berufsübergreifende Regelkommunikation, strukturierte Einarbeitung und Delegation ärztlicher Tätigkeiten. Bisher wurden vom Stationsteam folgende Dinge erreicht:

  • Angenehme Zusammenarbeit („es herrscht ein guter Ton auf Station“), Einhalten des Tagesablaufs und verbesserter Kontinuität in der Behandlung.
  • Die Visiten werden bewusster vorbereitet und es findet eine laufende Planung der Austritte in der Visite statt. Dienstags bis freitags klappen 80-90% der Entlassungen bis 9:30 Uhr mit vorläufigem Arztbrief
  • Übernahme delegationsfähiger ärztlicher Tätigkeiten für erfahrene Pflegekräfte ohne zusätzliche zeitliche Investition

Die 2. Phase erfolgte 2012 und stellte die Weichen für den 2013 geplanten Bettenausbau. Elemente der 2. Phase sind:[2]

  • Umsetzung der klinischen Pfade und
  • eines Case Managements
  • Einführen eines ärztlichen Spätdienst, sodass der Frühdienst ab 13 Uhr auf der Station als 2. Stationsarzt verfügbar ist, Übernahme weiterer ärztlicher Tätigkeiten durch die Pflege

Die 3. Phase bezieht sich auf die 50-Betten-Station und umfasst etwa

  • ärztliche und pflegerische Synchronisation der Stationshälften
  • ganztäglich feste Stationsärzte
  • Konzentration der Privatpatienten auf eine Hälfte der Station

 

 

[1] Vgl. Greiner, L.E. (1998), Evolution and revolution as organizations grow, in: Harvard Business Review, 1998, 76 (3), S. 55-68.

[2] Vgl. Recklies, O. (2000), Wachstumsmanagement und die 5 Phasen des Wachstums, Managementportal.

Referenz

ProjektGestalten von Wachstum in der Neurochirurgie, Inselspital Universitätsspital Bern 
Ansprechpartner: Prof. Dr. Andreas Raabe, Direktor und Chefarzt Neurochirurgie, Inselspital Universitätsspital Bern
Zeitraum: 2011-2013

Erfahren Sie noch mehr zum Thema

von Allmen, U.; Eberts, E.; Raabe, A.; Radnic, S. (2011): Veraltete Rituale auflösen. In: Die Schwester Der Pfleger 12/ 2011, S. 1218-1220.

Eberts, E.; Pföhler, M. (2011): Gestaltung von Wachstumsprozessen in Organisationen – Ausgangslage einer rasant wachsenden neurochirurgischen Universitätsklinik. In: klinikarzt 11/ 2011, S. 493-500.

Pföhler, M.; Ruhl, S. (2010): Klinische Behandlungspfade – Verknüpfung von Medizin und Ökonomie. In: Management & Krankenhaus 7/ 2010, S.3.


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