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Alltagstransfer in Zeiten der Distanz, Vivantes Netzwerk für Gesundheit

von Sep 25, 2020Aus der Praxis

Referenzansprechpartnerin: Dr. Eva Müller-Dannecker, Leiterin Ressort Personal- und Organisationsentwicklung, IFW, Vivantes, 2020

Ziel von Vivantes

Trainings für die persönliche Entwicklung leben von der Begegnung der Teilnehmenden, von der Spiegelung und der Vernetzung mit anderen. Also von Effekten, die unter der gebotenen Distanz der Corona Zeiten nur begrenzt möglich waren und sind. Vor Corona fanden unsere vier Vivantes Basismodule im Programm “Führung und Management” in etwa 6 Wochen Abstand zueinander statt. Lange genug, um den Transfer der Inhalte in den Alltag mit mehrmals erfolgreich zu trainieren. Kurz genug, um nicht die Aufgaben im normalen Alltag wieder aus dem Blick zu verlieren. Durch den Lockdown ist aus einem Kurs nun eine Jahresgruppe geworden, die statt über 4-6 über 12 Monate auf ihrer Lernreise begleitet wird.

Dadurch stellte sich die Frage, wie der individuelle Transfer in die Umsetzung – auch bei ungewiss langen Zeiten zwischen zwei Modulen – gesichert werden kann. So haben unsere Auftraggeberin und wir uns damit beschäftigt, wie wir Wege der Vertiefung, des Austauschs und des Lernens anbieten können, um zwischen weit auseinander liegenden Terminen den nachhaltigen Transfer in die Praxis zu stärken.

Umsetzung Alltagstransfer

Virtuelle Formate

Mit einigen Kliniken und Veranstaltern konnten wir die Zeit des Lockdowns nutzen und virtuelle Formate mit Zoom, Teams, Skype for Business, edudip, Go To Meeting & Co. erproben. Gerade wenn Menschen sich gut kennen, können sie die Einschränkungen des virtuellen Kontakts gut überwinden. Besser in jedem Fall als gar nicht in Verbindung zu gehen. Vieles hat in virtuellen Räumen funktioniert und kann die Zeit der Distanz überdauern. Sachliche Abstimmungen, z.B. zu Projekten oder in der Konzeption, sind gut zu transformieren. Eine zeitnahe Beteiligung lässt sich dabei oft sogar leichter realisieren, als über die eher aufwändigen Planungen für Treffen vor Ort. Es spart Zeit und Ressourcen bei gleichen Ergebnissen. Auch persönliches  Coaching funktioniert per Video gut – trotz reduzierter Hebel der Intervention.

Für das Vivantes Führungsprogramm ist spannend, wie wir im virtuellen Raum ohne direkten Blickkontakt dialogisch arbeiten und Nähe und Vertrauen vertiefen können, um an Themen des Wandel zu arbeiten. Reine Funktionalität gilt es zu vermeiden. Rückkopplung, wo die Teilnehmer gerade stehen, gilt es zu fördern. Die über die Kamera transportierte Mimik der Zuhörer ist kaum simultan zu entschlüsseln – v.a. wegen des erhöhten Redeanteils des Trainers und dem Einblenden von Materialien. Es besteht einfach mehr Bedarf nach Struktur. Erschwerend kommen technische Probleme hinzu. Oft schalten wir die Kameras längere Zeit aus, um die Übertragung zu verbessern. Damit wird das Format stärker monologisch und unidirektiv. Dialog nimmt ab. Struktur und Disziplin z.B. mit digitalen Handzeichen und engem Ablaufplan, sind wichtiger als in Präsenz.

Sicherung von Alltagstransfer

Schnelle Wechsel der Formate nach etwa 20 Minuten sind nötig, um den Fokus zu halten. Damit aber bleibt der Effekt der Entschleunigung echter Reflexion auch nur an der Oberfläche. Technische Lösungen wie Abfragen, Break Out Rooms für Teilgruppen u.a. digitale Formate können die Interaktion virtueller Einheiten weiter fördern. Weniger geeignet scheinen Teamcoachings und kollegiale Beratungen im virtuellen Raum, die Action und schnelle Wechsel nicht gut vertragen. Gerade aus ihnen speisen sich die Dynamiken im Führungsprogamm wesentlich. Der virtuellen Moderation fehlen die feinen Mittel, um die fehlende körperlichen Präsenz auszugleichen und Beziehung und Vertrauen aufzubauen.* Hier kommen wir an die Grenzen des virtuellen Raums, der darum explizit nicht als Ersatz, sondern nur als Ergänzung zum Programm gesehen werden soll.

Reine Präsenzformate sind zur Sicherung von Transfer aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Sonst bleibt die Umsetzung der Inhalte im Alltag ganz der Reife und Disziplin des Einzelnen überlassen. Gerade wenn die Zeit zwischen den Modulen mehr als 4 Wochen umfasst, ist die Gefahr, dass ohne weitere Angebote die Umsetzung aus dem Blick gerät. Eine erste Überlegung war daher, zwischen den Modulen weitere virtuelle Meetings zur Wiederholung, Vertiefung und zum Austausch einzubauen. So sollte das Dranbleiben im Alltag erleichtert werden. In diesem Fall waren virtuelle Termine aber mangels überall etablierter technischer Lösungen doch keine Option. Virtuelle Einzelcoachings über eine einfache Telefonleitung schieden ebenso aus, da ad hoc kein weiteres Budget zur Verfügung steht.

Lerntagebuch zur Selbstreflexion im Alltagsstransfer

Mailings mit Impulsen und Materialien im Internet und Intranet bieten wir zwar an, aber eher breit gestreut. Es sind keine „step by step“ Angebote, die an die Hand nehmen. Kurz und gut: Zusammen mit der Auftraggeberin haben wir während des Lockdowns spontan für den Kurs eine erste Fassung eines Lerntagebuchs auf die Beine gestellt, um das Wissen weiter zu verankern. Die Teilnehmenden nehmen ja alle aus eigenem Antrieb am Programm teil. So muten wir ihnen auch die Motivation, den Wille und den Glauben daran zu, selbst einen Unterschied bewirken zu können. Damit fordern wir es auch ihren nächsten Vorgesetzten ab, Raum für Neues verfügbar zu machen. Mit der Arbeitshilfe wird implizit transportiert, dass Reflexion und Bearbeitung von Verbesserungen ein Muss für die Arbeit der Führung ist. Und dass dies v.a. Zeit und Raum benötigt (und nicht als Nice to Have in die Freizeit outgesourct wird).

In den Feldern „Sich selbst führen“, „Andere Menschen führen“ und „Teams/ Organisationen führen” werden die Teilnehmer zwischen den 4 Modulen über Fragen und Übungen zur Reflexion eingeladen. Ein Wochenplaner unterstützt die Arbeit mit Lernzielen, -aufgaben, Hindernissen und Erfolgen. Zudem gibt es Impulse zum Weiterdenken. Tandems können sich dann zu bestimmten Einheiten austauschen und sich als Spiegel und Lernpartner zur Verfügung stehen. Das Lerntagebuch wurde ansprechend gestaltet und gebunden. Vorteil ist, dass alle Aufzeichnungen über das Jahr hier ihren Raum finden und das ganze zu einem persönlichen Begleiter wird. Es fördert, zum einen in eine entspannte Reflexion zu gehen, und zum anderen in die Aktivität, die Impulse nach einem Plan umzusetzen. Nach der Lerntheorie fördern die beiden Punkte leichtes und nachhaltiges Lernen.

Zum digitalen Lerntagebuch von Vivantes

Spinnt man weiter, ließe sich das Vivantes Lerntagebuch in eine digitale Fassung mit weiteren Nutzfeldern übertragen. So könnten zum Basiszertifikat hinzu etwa diverse Auszeichnungen honoriert werden. Es könnten z.B. neben den Punkten für die Teilnahme an den Trainings z.B. auch Punkte für Aufgaben, für Abschlusstests oder Praxisarbeiten kumuliert werden. So würde es spielerisch möglich, Level, Abzeichen und “Spielfortschritte” anzuzeigen und so das Dranbleiben weiter zu motivieren. Auch Services wie ein Teilnahme- und Umsetzungscheck oder Evaluationen im Programm bieten sich in dem digitalen Rahmen an. Für den Teilnehmer ist das eine Frage des persönlichen Geschmacks, sich mit der digitalen Reflexion anfreunden und Seiten bei Bedarf auszudrucken  oder es lieber als gebundenes Tagebuch vor sich liegen zu haben und einen emotionalen Bezug dazu zu entwickeln.

Ergebnis bei Vivantes

Nach den Monaten der Distanz haben wir uns sehr gefreut, dass im Programm nun einer der Ersatztermine bereits stattfinden konnte und wir dort eine vitale Freude unter den Teilnehmern erlebt haben, die besonders war. Eine Begegnungsqualität, die durch nichts zu ersetzen ist. Die Gruppe hat eigeninitiativ dafür gekämpft, nicht getrennt zu werden, sondern als Jahresgruppe den Kurs unbedingt gemeinsam weiter zu durchlaufen. Die Wirksamkeit des Lerntagebuchs für den praktischen Transfer wird nun nach Abschluss des Kurses evaluiert, um daraus Erkenntnisse für das nächste Jahr zu sammeln.

[*] Unmittelbare nonverbale Kommunikation im Gespräch und die direkte Wahrnehmung mit allen Sinnen vermitteln deutlich mehr Hinweisreize und Kontextinformationen, als dies in virtuellen Räumen möglich ist. Auf den eigenen Körper als Resonanz- und Intelligenzzentrum kann unmittelbar zugegriffen werden.

Referenz

Projekt: Umsetzungstransfer in Zeiten der Distanz, Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH
Ansprechpartnerin: Dr. Eva Müller-Dannecker, Leiterin Ressort Personal- & Organisationsentwicklung, Institut für Fort- & Weiterbildung (IFW), Vivantes
Kurszeitraum: 2020

Das entwickelte Lerntagebuch halte ich für ein sehr gutes Mittel, um die Transferwirksamkeit unseres Programms zu erhöhen.
Dr. Eva Müller-Dannecker

Vivantes Lerntagebuch

Wir berichten laufend über Referenzprojekte aus der Praxis

Jedes Quartal berichten wir von einem aktuellen Projekt. Wir sind stolz, dass unsere Referenzen hunderte Kliniken umfassen. Dass uns nämlich so viele Kliniken Jahr für Jahr ihr Vertrauen bei ihren offenen Fragen rund um den Wandel schenken. Quantität spricht für Erfahrung. Sie alleine sagt aber nichts über die Qualität in der Begleitung. Darum teilen wir positive Beispiele des Wandels. In einer Branche voller Umbruch ist die Freude und Begeisterung der Kunden unsere Motivation!

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