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Lerneinheit Risikomanagement – Von Sicherheitskultur und Fehlerkultur

von Okt 23, 2013Blogs

Fehlerkultur oder Sicherheitskultur? Wie treten im 21. Jhd. immer mehr die Systeme gegenüber den Individuen in den Vordergrund? Welche Potenziale für Risikomanagement und Patientensicherheit birgt das? Dient es auf dem Weg zu lernenden Organisationen?

 

Risikomanagement und Patientensicherheit

Kliniken brauchen Kernvertrauen

Risikomanagement ist ein natürliches Thema in Kliniken – nicht nur im Kontext von Ersteinschätzung wie im MTS. Patienten kommen in persönlichen Krisen in Kliniken. Sie  suchen dort nicht zuletzt Halt durch die Sicherheit. Während noch vor wenigen Jahren diese Sicherheit aus dem Charisma des Arztes gezogen wurde, muss sie bei schwindender Autoritätsgläubigkeit, immer mehr aus dem Glauben an sichere Abläufe und Fachkompetenz gezogen werden. Dazu gehört, dass Kliniken die Risiken für Menschen kennen und managen, dass heißt aktiv und offen mit ihnen umgehen. Und dazu gehört, dass Systeme es Verwechslungen, Fehldosierungen und medizinisch-technische Gefährdungen usw. durch Sicherheitsvorrichtungen im Alltag schwer machen. 

Doch wie lassen sich Menschen dazu bringen, über Risiken oder gar über eigene Fehler zu sprechen? Was könnte sie dazu motivieren und öffnen? Was hält sie davon ab? Wie lässt sich eine negativ besetzte Fehler- in eine positiv besetzte Sicherheitskultur überführen? Wie lässt sich die Furcht der Mitarbeiter vor Sanktionen beseitigen? Können sie wie in einer Art Zeugenschutz vor Mobbing, Denunziation und juristische Konsequenzen geschützt werden? Und schließlich: Welche Fehler- und Sicherheitskultur nehmen die Einzelnen in der Organisation aus ihren verschiedenen Perspektiven heraus wahr?

Fehlerkultur und Sicherheitskultur

Die Arbeitswelt wandelt sich weg von einem System der Dominanz und Abhängigkeit hin zu einem dialogischen System der Verbundenheit. Und Studien belegen: Mitarbeiter sind unter empathischer Führung, die sie mit ihren Bedürfnissen ernst nimmt, engagierter, selbstständiger und verantwortungsvoller. Wer den Unterschied erlebt hat, spürt es an sich. Ein sozial kompetenter Chef sorgt für ein gutes Klima im Team, für stetige Entwicklung und Erfolg. Positive Ressonanz schafft Energie für lebendige Entwicklung. Dabei entsteht eine positive Fehlerkultur, die Voraussetzung für Wandel ist. Wo Menschen ihre Komfortzone verlassen und miteinander Neues wagen – mit kalkulierten Risiken. Entwicklung braucht den konstruktiven Umgang mit Fehlern und den Willen zum Lernen. Das aber setzt ein entspanntes Klima des Vertrauens, des Respekts und kollegialer Ehrlichkeit voraus.

In Systemen der Dominanz kommt es zum Schuldvorwurf für einen Fehler, der einem Scheitern und einem Gesichtsverlust gleichkommt. In der Systemlogik liegt der Fehler in der Person und nicht im Prozess. Damit wird aus Sorge um sich selbst ein offener Umgang mit Fehlern und Lernorientierung verhindert. Paradox, denn es dient der Sicherheit sozialer Systeme viel mehr statt zu vertuschen und kaschieren die Energie darauf zu verwendet, Zwischenfälle zu vermeiden bzw. ihrer negativen Wirkungen einzugrenzen. Das meint Risikomanagement, das verbessert die Qualität der Versorgung. Fehler bergen neben Risiken stets auch Chancen zur Entwicklung. Sie gemeinsam zu reflektieren ist wichtig, um aus ihnen lernen zu können und so stetig noch besser und sicherer zu werden.

Prinzipien, die das Lernen von Fehlern in einer Sicherheitskultur stärken:

1. Gegenseitiger Respekt: Fehler können jedem passieren

  • Nobody is perfect: Wo Menschen handeln, passieren Fehler.
    Diese Einstellung vermeidet Stress und erlaubt mehr Leichtigkeit im Alltag.
  • Jeden Fehler nur einmal machen: Fehler reflektieren, um aus ihnen zu lernen.
    Auch aus Fehlern von anderen lernen. Dies kann eigene Fehler ersparen.

2. Gemeinsam aktiv lernen: Risiken betrachten

  • Ohne Mut, aus Angst vor Fehlern, wird nichts Neues geschaffen: Risiken betrachten, Fehler machen so schwer wie möglich gestalten, und Neues wagen. 
  • Bei Fehlern schnell den Schaden begrenzen: Mut zu Verantwortung haben und die Reißleine ziehen.

3. Umgang mit Fehlern: Bewusstsein für Verantwortung und Sicherheit

  • Mit eigenen Fehlern offen umgehen und dazu auch andere animieren:
    Fehler eingestehen heißt, Verantwortung tragen und Entwicklung ermöglichen.
  • Lösungen statt Schuldige suchen: Der Fehler liegt im System, nicht in der Person.  Es durch Systeme erschweren, Fehler machen zu können.

Fehler passieren. Laufend. Bewusst oder unbewusst. Wie damit umgegangen wird, ist entscheidend. Es braucht gute Routinen und Präsenz, um Risiken zu reduzieren, um Schaden zu vermeiden. Das bedarf eines Klimas des Vertrauens und Respekts. Wo hingesehen wird, Wo Widerspruch möglich ist und konstruktiv Kritik geäußert wird. Es braucht diese Kultur für die Sicherheit gerade unter Stress. Fehlerkultur ist Sicherheitskultur. Am Ende geht es darum, dass der Patient sich sicher fühlt und über unvermeidbare Risiken gut aufgeklärt ist. Er darf darauf vertrauen dürfen, dass vermeidbare Risiken aktiv vermieden werden. Patientensicherheit ist eine Qualität der Medizin, die sich stetig weiter entwickelt. Fehler in der Medizin und die Schäden dadurch sind ein Risiko. Risikomanagement ist essentiell, um Patienten eine hohe Sicherheit zu gewähren und Behandlungsfehler zu vermeiden.

Sicherheitskultur mit CIRS & Co.

Deshalb betreiben Kliniken u.a. Critical Incident Reporting Systeme (CIRS). Kerngedanke ist, Risiken, Fehler, Zwischenfälle im Alltag zu erfassen und präventive Strategien abzuleiten. So wird stetig am System gearbeitet, bevor es zu Schädigungen kommt. Der “Faktor Mensch” [1]. lässt sich als Risikofaktor nicht gänzlich vermeiden, aber aktiv reduzieren [3]. Hier ist der Umgang mit Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit,  Wahrnehmungs- und Merkschwächen, Ermüdung, Stress, Zeitdruck, Arbeitsüberlastung, Ärger, Angst vor Sanktionen relevant. Verdichtete Arbeit und medizinische Fehlleistungen hängen eng zusammen [2].Es darf keine Frage nach “Schuld” geben im Sinne von Naming – Blaming – Shaming und damit auch kein Denunziantentum [4]. Die zum Fehler führenden Umstände werden sonst leicht übersehen, die Organisation der Arbeit nicht hinterfragt [5].

Fehler entstehen ja selten durch eine einzige Aktion. Die ist der Auslöser, aber selten die Ursache. Die Anamnese des Fehlers und der ganze Prozess der Leistungskette ist zu betrachten, um Fehler und ihre Folgen oder gar Schäden systematisch zu reduzieren [6]. Gerade eindynamischen Zeiten, wenn Routinen noch nicht eingeschliffen sind.

Fazit: Wie steht es um die Sicherheitskultur?

“Aus Fehlern wird man klug” ist kein Automatismus. Es setzt voraus, offen über Fehler reden zu können, wollen und dürfen. Sich mit ihnen auseinander zu setzen, die gleichen Fehler ein weiteres Mal zu vermeiden. Wir werden so mitfühlender und toleranter, sowohl mit uns selbst als auch mit anderen. In Organisationen ist es gerade an den Schnittstellen nötig, behutsam in den moderierten Dialog zu treten, um fruchtbaren Nährboden und keine verbrannte Erde zu hinterlassen. Konstruktive Kritik teilen, eine Kultur der Entwicklung und des gegenseitigen Respekts schaffen. Das ist gesellschaftlicher Wandel von Dominanzsystemen.

 

 

[1] Vgl. Pateisky, N. (2004): Fehlerkultur und Teamtraining. Das „missing link“ im medizinischen Risikomanagement. In: Der Gynäkologe, 37 (1). S. 75.

[2] Vgl. Haenggi, D./ Heinzl, S. (2005): Fehlermanagement im Spital – ein Beispiel aus unserer Frauenklinik. In: Schweizerische Ärztezeitung, 86 (27). S. 1685.

[3] Vgl. Rall, M./ Manser, T./ Guggenberger, H./ Gaba, M.D./ Unertl, K. (2001): Patientensicherheit und Fehler in der Medizin. Entstehung, Prävention und Analyse von Zwischenfällen. In: Anästhesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie, 36 (6). S. 324.

[4] Vgl. Glazinski, R./ Wiedensohler, R. (2004): Patientensicherheit und Fehlerkultur im Gesundheitswesen. Fehlermanagement als interdisziplinäre Aufgabe in der Patientenversorgung. Eschborn: Verlag Dr. Dr. Rolf Glazinski. S. 10.

[5] Vgl. Hofinger, G. (2009): Lernen aus Fehlern im Krankenhaus. Systematische Fehlersicht und Zwischenfall-Berichtssysteme. In: Unfallchirurg 112 (6). S. 606.

[6] Vgl. Hoffmann, B./ Rohe, J. (2010): Patientensicherheit und Fehlermanagement. Ursachen unerwünschter Ereignisse und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung. In: Deutsches Ärzteblatt, 107 (6). S. 93.


 

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