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Lerneinheit Transaktionsanalyse – Von Gabi Kahler: 5 innere Antreiber

von Apr 17, 2018Blogs

Wie prägen Innere Antreiber die eigene Wahrnehmung der Realität und unsere Orientierung in der Welt?  Die Transaktionsanalyse kennt mit den 5 inneren Antreibern nach Tabi Kahler die üblichen konditionierten Glaubenssätze. Sollte man ihnen auf die Schliche kommen und sich von ihnen frei machen? Wie lassen sich aktiv durch Erlaubersätze in einer gesunden Balance halten?

Was sind innere Antreiber?

Sei stark! Sei perfekt! Mache es allen recht! Beeile dich! Strenge Dich an!

Wenn Sie über Ihre Inneren Kritiker bzw. Inneren Antreiber reflektieren, wird Ihnen wohl einer oder mehrere davon bekannt vorkommen. Jeder Mensch hat solche oder ähnliche inneren Antreiber. Das besagt in der Transaktionsanalyse nach Eric Berne das Modell der Inneren Antreiber von Taibi Kahler aus 1977 [1], erweitert von Reinhard Köster, Bernd Schmid, Joachim Hipp et. al.[2]

Innere Antreiber sind oft unbewusste Muster im Denken und in der Kommunikation, die die eigene Wahrnehmung von Realität prägen. Sie sind zu tief verwurzelten, nicht hinterfragten Glaubenssätzen geworden. So bestimmen sie unsere Landkarte, mit der wir uns in einer komplexen Welt orientieren. Entstanden sind die Muster v.a. in der frühen Kindheit. Da konnten sie sich ungefiltert im Unterbewusstsein verankern: Menschen entwickeln sich in Beziehung mit anderen Menschen. Am stärksten ist die Abhängigkeit gerade in der frühen Kindheit. Denn da sind Menschen angewiesen auf die Liebe und Zuwendung der Bezugsperson. Sie erfahren Liebe auf der einen und Zurückweisung auf der anderen Seite. Kinder bilden, um Zurückweisung zu vermeiden, unbewusste Muster im Verhalten aus.

Diese verfestigen und verankern sich im Laufe der Zeit und werden individuell zu nicht hinterfragten Normen. Sie prägen den Menschen in seiner Wahrnehmung und in seinem Denken, Fühlen und Verhalten bis ins hohe Alter. Irgendwann braucht es die Bezugsperson gar nicht mehr, die uns (bewusst oder unbewusst) vermittelt, wie wir sein sollen. Längst hat der innere Kritiker 24/7 präsent diese Rolle übernommen. Sofern der Mensch diesen Mustern nicht durch Reflexion und Austausch mit anderen auf die Schliche kommt, geht er oft davon aus, dass andere Menschen die Welt genauso wahrnehmen.

Innere Antreiber und ihre zwei Seiten

Innere Antreiber sind nicht per se zu verteufeln. Im Grunde haben sie ja eine positive Qualität. Schließlich sind sie unsere frühesten Erfolgsfaktoren und haben uns Anerkennung unseres Umfeldes gesichert. Situativ, im richtigen Kontext eingesetzt, stellen sie eine Quelle vieler Stärken in einer Leistungsgesellschaft dar. Zum Problem werden sie, wenn wir keine Alternativen ausbilden und sich der Mechanismus absolutistisch als Allzweckmittel unabhängig vom Kontext automatisiert. Dann können sie als affektive Reaktionen auf bestimmte Reize/ Trigger destruktiv werden.

Beispiele für die zwei Seiten der 5 innere Antreiber

So beschreiben die folgenden Aussagen Innere Antreiber mit ihren charakteristischen Glaubenssätzen, ihren Sonnen- und Schattenseiten.

Satz Charakteristische
Glaubenssätze
Stärke Negative Übertreibung

Sei Stark!

  • Ich komme alleine zurecht.
  • Gefühle und wie es in mir aussieht, zeige ich nicht. Ich bewahre Haltung nach außen.
  • Mich erschüttert nichts so leicht. Ich bin auf das Schlimmste gefasst.
  • Ich beiße die Zähne zusammen.
  • Steht Dinge durch
  • Kann sich distanzieren/ dissoziieren
  • Bewahrt Ruhe in der Krise
  • Selbstdisziplin
  • Fragt nicht um Hilfe
  • Ist von den Gefühlen abgeschnitten
  • Verfällt in pessimistische Weltsicht
  • Macht Dinge mit sich selbst aus

Sei perfekt!

  • Eine Arbeit mache ich gründlich. Ich mag keine Schlamperei.
  • Ich finde immer noch etwas zum Verbessern.
  • Mache bloß keine Fehler.
  • Ich muss stets noch besser werden.
  • Strebt nach Perfektion
  • Will stets 120% geben.
  • Arbeitet sorgfältig präzise
  • Ist stets dabei, sich weiter zu verbessern
  • Nimmt Vorschläge persönlich
  • Kann schlecht mit Kritik und Fehlern umgehen
  • Fühlt sich nie gut genug
  • Kann die 5 nicht gerade sein lassen

Beeile dich!

  • Ich bin ständig in Bewegung und beschäftigt. Will keine Zeit verschwenden.
  • Ich mache gern mehrere Dinge gleichzeitig.
  • Mache schnell. Sei auf Trab.
  • Ich bin der Motor, der Dinge voranbringt.
  • Erledigt vieles
    in kurzer Zeit
  • Hat ein gutes Gefühl für Zeit
  • Arbeitet zügig
  • Bringt Dinge voran
  • Kann schlecht mit gutem Gefühl abschalten und nichts tun
  • Ist immer gehetzt
  • Macht in der Eile Flüchtigkeitsfehler
  • Hat wenig Geduld

Mache es
allen recht!

  • Nein sagen fällt mir schwer.
  • Akzeptiert zu werden ist wichtiger als eigene Interessen durchzusetzen.
  • Positive Bestätigung und Harmonie sind mir sehr wichtig.
  • Sei lieb und freundlich. Bloß kein Streit.
  • Nimmt sich selbst nicht so wichtig
  • Besitzt hohe Empathie
  • Ist hilfsbereit
  • Ist sehr zugewandt
  • Sagt nicht Nein
  • Findet oder vertritt keinen eigenen Standpunkt
  • Geht Konflikten aus dem Weg
  • Vernachlässigt eigene Bedürfnisse

Strenge dich an!

  • Erfolge muss man hart erarbeiten, dass sie etwas wert sind. Gib alles.
  • Reiß dich zusammen. Das kannst du noch besser.
  • Wer nie aufgibt, erreicht alles. Das muss ich schaffen.
  • Ich schaffe es auch ohne Hilfe!
  • Setzt sich ein
  • Hat Durchhalte-Vermögen
  • Setzt Dinge engagiert um
  • Übernimmt Verantwortung
  • Schätzt den Erfolg, der zufliegt, nicht hoch
  • Ist nie zufrieden mit dem Erreichten
  • Schließt Dinge nicht ab
  • Verzettelt sich

Hinweis: Ergänzend zu diesen fünf Antreibern nimmt etwa Schmale-Riedel „Sei vorsichtig/ kritisch!“ als 6. Antreiber hinzu.

 

Konflikte durch Glaubenssätze

Kennen Führungen die eigenen Inneren Antreiber und die ihrer Mitarbeiter, können sie damit effektiv umgehen. Gerade unter Druck ist die Reflexion der Inneren Antreiber hilfreich. So können Überforderungen und die Kollision innerer Antreiber vermieden werden. Wo aber tief verankerte Werte aufeinander prallen, entstehen Reibung und Konflikte, die zu einer Entladung führen und einen Schaden auf Dauer anrichten können.

Nehmen Sie z.B. an: Eine Führung ist primär durch „Sei perfekt!“ getrieben. Für sie ist fehlerfreies Arbeiten wesentlich. Der Mitarbeitende hat einen „Beeil Dich“ Antreiber. In seiner Welt ist Schnelligkeit die entscheidende Qualität. Wenn beide in stressigen Zeiten besonders deutlich ihrem primären Muster folgen, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Zum einen kommt die Führung schwer mit den aus der Eile heraus geborenen Fehlern zurecht. Zum anderen gerät der Mitarbeiter in die Überforderung, da er zugleich schnell sein will und korrekt sein soll.

Mitarbeiter mit einem „Mach’s allen recht“ Antreibern z.B. vermeiden Konflikte. Vielmehr suchen sie ständig nach Lösungen, die allen passen. Auch dies endet in der Überforderung oder der Frust löst sich in einer Explosion. Weil offenbare Lösungen nicht verfügbar sind.

 

Selbst- und Fremdeinschätzung – Innere Antreiber reflektieren

Der Blick für die Inneren Antreiber ist also wichtig. Wo liegen meine Themen, um mich vor Überforderung zu schützen? Ein Selbsttest hilft, den eigenen Inneren Antreibern auf die Spur zu kommen. Dann können auch im Team gemeinsam Strategien erarbeitet werden, um den Stress- und Konfliktfallen besser aus dem Weg zu geben. Dafür, um die Signale für den destruktiven Anteil der Inneren Antreiber rechtzeitig zu erkennen und sie zu bremsen, hilft der offene Austausch im Team. So werden potenzielle Konflikte bereits im Vorfeld entschärft. Denn das wechselseitige Verständnis schafft eine Basis für die gelingende Zusammenarbeit bei aller Diversität.

Mit einer einfachen Reflexion können Sie Innere Antreiber anderer Menschen gut erkennen. Erstellen Sie dazu eine Tabelle Ihrer Mitarbeiter und füllen Sie sie mit Ihren Beobachtungen:

  • Charakterisieren Sie kurz die einzelnen Persönlichkeiten im entspannten Setting.
  • Achten Sie auf deren (Re-) Agieren in schwierigen Situationen. Dabei gilt: Wo Menschen am meisten überfordert sind, zeigen sich die Inneren Antreiber am deutlichsten. Welchen Hauptantreiber vermuten Sie? Achten Sie auf wiederkehrende Aussagen unter Stress. So kann dies z.B. bei einem „Beeil Dich!“ Antreiber die gehäufte Aussagen sein: „Ich komme einfach nicht mit der Zeit zurecht“.
  • Was bedeuten die vermuteten Inneren Antreiber für das Potential des Mitarbeiters?
  • Welche Unterstützung benötigt der Mitarbeiter, um seinen Inneren Antreiber konstruktiv zu nutzen? Wie und wo kann ich sie ihm geben?

Gleichen Sie Ihre Überlegungen im coachenden Gespräch mit dem Mitarbeiter ab. Sie erweitern so die eigenen Perspektiven ebenso wie die des anderen.

 

Anregungen zur Selbstintervention: Innere Erlauber nähren

Wer seinem eigenen Inneren Antreiber auf die Schliche gekommen ist, kann sich aktiv von ihnen frei machen. Dazu können etwa folgende (Selbst-) Interventionen durch Erlaubersätze hilfreich sein: [3]

Satz Interventionen: Innere Erlauber
Sei stark!
  • Fragen Sie andere Menschen um Hilfe.
  • Erkennen Sie (Bauch-) Empfindungen und Gefühle an. Und lassen Sie sich von diesen auf reflektierte Weise bewegen.
  • Reden Sie darüber. Suchen Sie sich eine Arbeit, die Ihnen leicht fällt.
  • Setzen Sie dem Umfang Ihrer Arbeit feste Grenzen.
  • Richten Sie sich eine Freizeit-Aktivität ein, die Ihnen (kindische) Freude bereitet.

Sei perfekt!

  • Wertschätzen Sie den Sinn für Vollkommenheit als Begabung.
  • Üben Sie sich zugleich darin, sich selbst und anderen unbedingte Zuwendung zu geben und solche anzunehmen.
  • Setzen Sie realistische Standards für die Genauigkeit. Häufig ist 80% genug. Und das erreichen Sie durch Erfahrung mit 20% des Aufwands (Pareto Prinzip).
  • Seien Sie Mensch und haben sie kindischen Spaß bei dem, was sie tun. Gehen Sie gelassen mit ihren Fehlern und Defiziten um. Dies sind nur Chancen zum Lernen. Und lachen Sie doch ruhig mal über sich.
  • Unterscheiden Sie das perfekte, ideale Ziel und den Perfektionismus in der Durchführung. Nur ab und zu wird das perfekte Ziel erreicht oder übertroffen werden.

Beeile Dich!

  • Planen Sie ihre Arbeit in Etappen, legen Sie Zeitpunkte mit Etappenzielen fest.
  • Was soll sofort erledigt werden – sicherlich nicht alles?
  • Lernen Sie Entspannungstechniken, üben Sie Rhythmuswechsel und Entschleunigen ein. Entdecken Sie die Qualität der Langsamkeit und der Pause. Entwickeln Sie Ruhe, Achtsamkeit, Sorgfalt.
  • Achten Sie auf Ihre (Sitz-) Haltung und Atmung. Denn Langsam- und Achtsamkeit ermöglichen, sich seines Denkens und Fühlens inkl. der Körperempfindungen im Hier und Jetzt bewusst zu werden. Erst im entspannten Zustand, im Erfahren mit allen Sinnen, wird tiefes Lernen möglich.
  • Achten Sie auf das Tempo der anderen. Konzentrieren Sie sich darauf, anderen sorgfältig zuzuhören und sie ausreden zu lassen.

Mache es allen recht!

  • Sagen Sie bewusst „Ja“ zu dem, was für Sie wichtig ist.
  • Sorgen Sie für Klarheit Ihrer Ziele und Werte.
  • Üben Sie „Nein“ zu sagen und klar Kritik zu geben.
  • Erholen Sie sich in der Natur. Die Schöpfung können Sie einfach so genießen, wie sie ist und dabei können Sie sich selbst finden. Und seien Sie öfter zu sich selbst nett und bitten sie Leute um das, was sie möchten.
  • Beginnen Sie damit, anderen mehr Fragen zu stellen, was diese wirklich wollen. Arbeiten Sie nicht in voraus eilendem Gehorsam Dinge ab. Lassen Sie andere denken.

Strenge Dich an!

  • Üben Sie sich darin, spielerisch leicht Erfolge zu erzielen und feiern Sie die.
  • Hören Sie auf, (zu viele) Dinge freiwillig zu tun.
  • Setzen Sie Prioritäten.
  • Machen Sie Pläne, die den guten Abschluss einer Aufgabe beinhalten!
  • Machen Sie sich Ihre Aufgaben leicht und nehmen Sie Menschen dazu, mit denen es leicht zu schaffen ist.

Das Verständnis für Innere Antreiber macht es möglich mit Erlaubersätzen als Gegenstrategien zu intervenieren. Ziel ist es, selbst unter Stress in Distanz zu seinen Inneren Antreibern treten zu können und den inneren Erlaubern Raum zu geben. Also nicht mehr affektiv zu reagieren. Sondern die getriggerten Muster in der Kommunikation und im Verhalten zu entlarven und zu unterbrechen.

 

Innere Antreiber und innere Ich Zustände

Erfolgsstrategien der Vergangenheit setzen sich gerne als Innere Antreiber in uns fest. Denn  Anerkennung ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Erst wenn wir uns bewusst werden, welche Stimmen bzw. Anteile in uns aktiv werden, können wir entschieden von ihnen distanzieren. Eric Berne nannte das, den Ich Zuständen in uns auf die Schliche zu kommen:

  • Jeder, egal welchen Alters, trägt seine Eltern/ Bezugspersonen in sich: sein Eltern Ich.
  • Ebenso bewahrt er das Kind, das er war, in sich, das seines Schutzes bedarf: sein Kind Ich.
  • Es bedarf einer Instanz, die wahrnimmt, was das innere Kind zu einer gesunden Entwicklung braucht und die das Eltern Ich in gesunde Schranken weist: sein gesundes reifes Erwachsenen Ich.

Diesen Ich Zustände in der Persönlichkeit aus der Transaktionsanalyse widmen wir einen eigenen Beitrag. Dem methodische Vorgehen bei der Glaubenssatzarbeit im Coaching widmen wir uns in einer Buchbesprechung.

 

[1] Vgl. Kahler, Taibi (1977): Das Miniskript. In: Barnes, G. et al: Transaktionsanalyse seit Eric Berne, Bd. 2, S. 91-132.

[2] Vgl. Hay, J. (1996): Transactional Analysis for Trainers. Watford: Sherwood Publishing;  K. Sejkora, K. | Schulze, H. (2016): Die Kunst der starken Führung.

[3] Vgl. Schneider, J. (2013): Burnout vorbeugen und heilen; Levine, Peter A. (2011): Sprache ohne Worte: Wie unser Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt.

Es gilt, nicht der Gefahr des Ja-Aber-Spiels und damit dem Austausch von Argumenten zu verfallen, wenn man die Bedürfnisse auf den Tisch bringen will. Sondern selbst geklärt, die eignen Bedürfnisse einen Moment hinten anzustellen und die Bedürfnisse des andern empathisch in den Blick zu nehmen. Um sich aufrichtig mitteilen zu können, ist zunächst Empathie für die Bitte zu geben. So dass der Bittende die Sicherheit bekommt, gesehen und gehört zu werden. Zu zeigen, dass man die Bitte gehört hat und welche empathische Vermutung zum Wozu – als Frage oder Konjunktiv formuliert – man dazu hat.

 

7. Niemand kann Empathie geben, bevor er nicht selbst Empathie bekommen hat

Eine konkrete Bitte ist eine Strategie, die zunächst die Bedürfnisse des Fragenden in den Blick nimmt. In der GFK ist die Bitte nur verstehbar, wenn sie in Zusammenhang mit den dahinter stehenden Gefühlen und Bedürfnissen geäußert wird. Wer eine Bitte äußert will etwas ändern. Die Gewaltfreie Kommunikation kennt unterschiedliche Arten von Bitten auf Ebene der Strategie. Ihr Fokus liegt dabei darauf, in Verbundenheit miteinander zu sein.

  • Handlungsbitten: sind Bitten um eine bestimmte Handlung oder um ein inhaltliches Feedback (oft um zu schnellen Lösungen zu kommen)

  • Beziehungsbitten: sind Bitten um eine einfühlsame Reaktion, um eine Mitteilung, was beim anderen angekommen ist oder wie es ihm damit geht, was er dabei empfindet. Es geht dabei als darum, dem Fühlen Raum zu geben.

Es git zunächst, das Bedürfnis des Bittenden hinter seiner Bitte genauer zu ergründen. Emphatische Vermutungen dürfen dabei nicht auf Gedanken abstellen, sondern das Fühlen adressieren. Schnell werden im Eifer des Gefechtes Gefühle mit Gedanken oder gar Vorwürfen verwechselt. Das aber zerstört jeden Kooperationswillen. Selbst wenn eine Handlungsbitte geäußert wurde, kann es sein, dass der Anfrager das Nein nicht in der Sache, sondern (1.) auf der persönlichen Ebene hört, als Absage an die Beziehung. Und dass er (2.) so in seine Bedürfnisse verstrickt ist, dass er kein Ohr für die Antwort hat und ein Nein (noch) nicht empathisch hören kann. Dann war die Fähigkeit offen mit einer Antwort umgehen zu können, nicht gegeben.

Eine echte Bitte im Dialog muss mit einer offenen Entscheidung – ja oder nein – umgehen können, sonst ist es keine. Dann braucht der Antwortende nicht mit einem Nein und seinen Bedürfnissen anfangen. Vielmehr gilt es nun erst einmal, um die Beziehung zu halten, die eigenen Bedürfnisse einen Moment zu parken und die Bedürfnisse hinter der Bitte in den Blick zu nehmen. Der Bittende braucht so lange Einfühlung, bis er sich entspannt hat. Die Zeit zum Nachspürenlassen, ob es im Hier und Jetzt gut ist, Zuhören, Raum halten. Wenn der Bittende in seinen Konflikt nicht so reflektiert ist, sich selbst Einfühlung zu geben, braucht er die Empathie des Zuhörers.  Sich auf der Ebene seiner Bedürfnisse gehört zu fühlen, lässt spüren, dass ich dem anderen wichtig bin. Menschen sind oft erst in der Lage, empathisch auf die Bedürfnisse anderer zu reagieren, wenn sie selbst Empathie bekommen haben.

 

8. Empathisch Zuhören bevor man sich aufrichtig mitteilen kann

Marshall B. Rosenberg erkannte: „Empathisch mit dem Nein des anderen zu sein, schützt uns davor, es persönlich zu nehmen.“ 

In der GFK gibt es keine Abkürzung als sich in die Bedürfnisse beider Seiten einzufühlen. Das ist das, was in Menschen lebendig ist. Ein Ansatz Nein zu sagen und gleichzeitig in der Verbundenheit zu bleiben, ist daher, nicht nur das eigene Nein gut zu erklären, sondern sich auch die Zeit zu nehmen, eine andere Strategie im Hier und Jetzt mit dem Anfrager zu entwickeln. Solange gemeinsam einen Weg zu erkunden, wie die dahinterliegende Bedürfnis beider Seiten erfüllt werden können. Immer wieder offen nachfragen, was der andere verstanden hat, wie es ihm damit geht und was er braucht. Hier sind mitunter mehrere Runden zu drehen, die gegenseitigen Bedürfnisse zu spiegeln und eine gemeinsame Synthese zu finden. Diese Aufarbeitung im offenen Dialog kann Zeit benötigen, die nicht immer da ist. Sie hat das potenzial die Verbundenheit trotz des initialen Neins zu stärken.

Auf Ebene der mit der Bitte vorgeschlagenen Strategie gibt es kein Commitment. Das muss aber nicht heißen, dass es keine andere gemeinsam getragene Lösung gibt. So gesehen bleibt es beim autonomen Nein zur anfänglichen Bitte, die nicht für beide Seiten stimmig ist. Aber der Dialog endet immer mit einem Ja zur Verbindung  durch achtsame Anerkennung der Bedürfnisse aller Seiten. Im dialogischen Austausch selbst liegt dann eine neue tiefe Beziehungerfahrung. Statt im Widerstand und In Negativität zum Nein bzw. zur Bitte zu sein, wird kein Leid erschaffen, sondern es entsteht eine höhere warme Herzensenergie, indem beide miteinander mit ihrer Lebendigkeit in Kontakt kommen.

 

9. Umgang mit Blockaden

Gehört zu werden im Anliegen schafft Öffnung auch für Anliegen des anderen. Selbst wenn ich diese Verbundenheit will, sich gegenseitig in seinen Bedürfnissen zu sehen und Lösungen zu finden, ist das nicht immer sofort möglich:

  • Ich bin selbst nicht in meiner Kraft und in der Lage mich auf den Klärungsprozess einzulassen. 

  • Man hat sich in ein Ja-Aber-Gefecht mit Urteilen, Drohung, Schuldvorwürfe und Urteile so- verfahren, dass im Moment nicht auf die Ebene der Bedürfnisse vorzudringen ist. Obwohl im Grunde jeder nur darum kämpft, mit seinen Bedürfnissen gesehen zu werden.
  • Die Beteiligten brauchen Zeit zum Nachspüren, bevor die gemeinsame Lösung sich entwickeln kann.

Bei solchen Blockaden hilft erst einmal der Ausstieg aus der Situation mit ehrlichem Bedauern und Dankbarkeit für die Ehrlichkeit. Für den Moment tritt jeder für sich ein und man lässt die Differenz stehen ohne sie persönlich zu nehmen. Ein Wiederanschließen ist dann leichter zu einem späteren Zeitpunkt aus Distanz zu den kraftraubenden Emotionen möglich. 

Die Aufrichtigkeit des Neins braucht Empathie für beide Seiten. Das gibt die Sicherheit, einander zu hören und anzuerkennen. Dahinter steck eine enorme Kraft der Verbundenheit: Die Bedürfnisse werden ins Leben geholt und schaffen lebendige Beziehungen. In dieser Haltung fließt jedes Einstehen für sich selbst letztlich sogar in eine Vertiefung der authentischen Verbindung zwischen Menschen.

So steht am Ende der Bitte das Danke.

    [1] Ein authentisches Anschauungsbeispiel ist die Milchtütenbitte von Iris und Jürgen. Im langsamen Dialog mit laufender Rückkopplung an die Bedürfnisse beider zeigen sie, wie es gelingt, die eigenen Bedürfnisse und die Reaktanz des anderen darauf anzusprechen und – in der Haltung, gegenseitig verbunden bleiben zu wollen und sich die Zeit zu nehmen- die Beziehung in der Akzeptanz der gegenseitigen lebendigen Bedürfnisse zu vertiefen. Die Kunst ist, keinen Vorwurf zu hören, sondern die Selbstkundgabe.

    [2] Axiom der GFK: Bedürfnisse sind universal gültig, insbesondere unabhängig von Person, Zeit und Ort, sonst sind es Strategien.


     

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